Nachtauge by Thomas Görden

Nachtauge by Thomas Görden

Autor:Thomas Görden
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2010-12-12T23:00:00+00:00


Jonas ging mit Mister Brown an der Leine zur Straße vor und schaute sich dort einen Moment um. Stellen, wo ein Hund diskret etwas fallen lassen konnte, gab es entlang der Straße nur wenige und Feltens Garten wollte Jonas dazu nicht zweckentfremden. Schließlich beschloss er, sich nach rechts zu wenden. Es war inzwischen dunkel. Im Licht der Straßenlaterne sah Jonas einen silbernen Opel Vectra mit zwei Männern darin am Bürgersteig parken, die er fachkundig als die Zivilstreife identifizierte, die Susanne angefordert hatte. Jonas bog in die am feltenschen Grundstück entlangführende Seitenstraße ein.

Entweder hatte Felten dem Jungen gegenüber eine ganze Wagenladung voll schlechtem Gewissen, oder es ging darum, Mario unter Kontrolle zu behalten, damit er nicht in Dingen herumwühlte, die Felten und vermutlich auch die Eberhards nicht gerne ans Tageslicht kommen lassen wollten. Jonas erschien erstere Möglichkeit erheblich wahrscheinlicher. Es gab gewiss genug Möglichkeiten, einen kleinen Waisenjungen in Belize daran zu hindern, unangenehme Dinge auszuplaudern. Da hätte kein Geld in ein teures Privatgymnasium investiert werden müssen.

Nein, Felten versuchte offenbar an Mario etwas gutzumachen. Eine Schuld abzutragen vielleicht. Oder handelte es sich um reine Menschenfreundlichkeit? Hatte er einfach irgendein armes Waisenkind aus Lateinamerika ausgewählt, für das er den barmherzigen Samariter spielen konnte? Wozu dann die Heimlichtuerei bezüglich Belize? Und was hatten Felten, die Eberhards und dieser Roger früher dort getrieben? Krumme Geschäfte? Jonas nahm sich vor, Susanne eine gründliche Durchleuchtung von Feltens Vergangenheit zu empfehlen.

Weiter vorn hatte Mister Brown ein geeignetes Gebüsch erspäht und zog an der Leine. Er wusste, was sich gehörte, Bürgersteige waren fürs Geschäft tabu. Bis zum heutigen Tag hatte Jonas keine Ahnung, wozu ein Medizinhund eigentlich gut war oder was ihn von einem ganz normalen Hund unterschied. Nicht, dass er etwas gegen Mister Brown gehabt hätte, im Gegenteil, er mochte das dicke Zottelvieh.

Aber was machte ihn zum Medizinhund? Er fraß viel, schlief viel, planschte mit Vergnügen im Waldsee herum und spielte gern Stöckchen holen, legte dabei allerdings keine besondere Gewandtheit und Schnelligkeit an den Tag (nicht selten fand er den Stock schlichtweg nicht wieder). Als Wachhund taugte er auch nicht besonders, dafür war er Fremden gegenüber viel zu verspielt und neugierig. Von der Jagd ganz zu schweigen: Jonas konnte sich nicht vorstellen, dass Mister Brown jemals in der Lage sein würde ein Reh oder einen Hirsch einzuholen.

Mister Brown hatte seine Notdurft verrichtet und tauchte wieder aus dem Gebüsch auf. Er schaute Jonas an und ließ ein leises Wuffen hören. Ob er spürte, dass sich Jonas gerade Gedanken über ihn machte? Jonas hielt Telepathie für nicht unmöglich. Es gab physikalisch und erkenntnistheoretisch einige gute Argumente, die dafür sprachen, dass dergleichen funktionieren konnte. »Komm«, sagte Jonas. »Rückmarsch.«

Mister Brown trottete los. Er war jedenfalls kein Hund, bei dem man Mühe hatte, Schritt zu halten. Normalerweise. Allerdings konnte er unversehens eine unglaubliche Zugkraft entwickeln, wenn er etwas entdeckte, das ihn neugierig machte. Wobei oft nicht klar festzustellen war, was eigentlich seine Neugierde weckte. Kaninchen oder Katzen nicht. Die waren ihm zu schnell. Menschen machten ihn fast immer neugierig. Manchmal trabte er aber



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